(Rotterdam / Niederlande) – Der Hafen von Rotterdam (PoR) baut seine Aktivitäten zum Import von Wasserstoff und grünen Kraftstoffen weiter aus. Die Port of Rotterdam Authority legt nun mit einer weiteren Vereinbarung den Grundstein für einen potenziell milliardenschweren Zukunftsmarkt.

Unterzeichnung der Vereinbarung zum Aufbau einer asiatisch-europäischen Lieferkette für grüne Kraftstoffe auf dem World Hydrogen Summit in Rotterdam in der vergangenen Woche: Gautam Reddy Kumbam, CEO AM Green Ammonia (links) und Boudewijn Siemons, CEO Hafenbetrieb Rotterdam. © Port of Rotterdam Authority

So haben die AM Green Ammonia Pvt. Ltd. und der Hafenbetreiber den Aufbau einer Lieferkette zwischen Indien und Nordwesteuropa beschlossen. Im Fokus stehen Wasserstoff und seine Derivate, die Versorgung mit Bunkertreibstoffen und nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAF) sowie die Entwicklung der Hafeninfrastruktur. Die Umsetzung könne den Handel mit grünen Kraftstoffen in einer Größenordnung von jährlich einer Million Tonnen im Wert von bis zu einer Milliarde Dollar ermöglichen, so die Unternehmen nach der Unterzeichnung. Der Rotterdamer Hafen spiele „eine führende Rolle als wichtiger Logistik- und Wasserstoffknotenpunkt für den europäischen Kontinent“, da dort etwa 13 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Europa abgewickelt würden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Ausbau der Handelsroute nach Europa

„Angesichts des enormen Potenzials Indiens für die Produktion von grünem Wasserstoff in Verbindung mit der strategischen Lage Rotterdams wird die Zusammenarbeit zu einer nachhaltigen Lieferkette für grüne Energie zwischen den beiden Regionen führen“, sagt Boudewijn Siemons, CEO der Port of Rotterdam Authority. Anil Chalamalasetty, Gründer von AM Green und deren Muttergesellschaft Greenko Group, betont seine Absicht, bis 2030 in Indien eine Produktionskapazität von immerhin fünf Millionen Tonnen grünem Ammoniak aufzubauen, was etwa einer Million Tonnen grünem Wasserstoff entspreche. AM Green will nun über den Hafen seine Handelsrouten ausbauen. Die Zusammenarbeit werde „die Position von AM Green als globale Plattform für den Übergang zu sauberer Energie stärken und die industrielle Dekarbonisierung weltweit beschleunigen“.

HyCC entwickelt in Rotterdam einen 250-MW-Elektrolyseur. „H2Next“ wird für die Produktion von etwa 25.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr ausgelegt. © HyCC

Nahezu zeitgleich verkündete der niederländische Chemikalienhersteller HyCC B.V. die Entwicklung eines „H2Next“ genannten Projekts. Das Unternehmen reserviert sich nahe der geplanten Anlandung des Stroms mehrerer großer Offshore-Windparks ein Grundstück für einen Elektrolyseur mit einer Leistung von 250 Megawatt auf der Maasvlakte. H2Next wird für die Produktion von etwa 25.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr ausgelegt. Über das geplante nationale Wasserstoffnetz mit Anbindung nach Deutschland und den Delta-Rhein-Korridor wolle man nicht nur niederländische Industriecluster, sondern auch andere Zentren in Nordwesteuropa mit grünem Wasserstoff versorgen. Die Investitionsentscheidung soll bis 2028 fallen und ab 2030 die Wasserstoffproduktion starten. HyCC ist ein Joint Venture zwischen der Green Investment Group von Macquarie und dem niederländischen Chemieunternehmen Nobian, das 2021 aus der Chemiesparte von Akzo Nobel hervorging.

Verlauf des künftigen Delta-Rhein-Korridors. © Port of Rotterdam Authority

Im Hafen von Rotterdam nehme „das Wasserstoffsystem Gestalt an“, verkündete jüngst die Hafenverwaltung. So wird etwa dem Delta-Rhein-Korridor (DRC), worauf auch HyCC setzt, vom niederländischen Kabinett Priorität eingeräumt. Der zügige Bau der Wasserstoffleitung sei notwendig für Unternehmen, die in die Produktion, Speicherung oder den Vertrieb von Wasserstoff investieren wollen. Dies gelte auch für Deutschland und Nordwesteuropa. Die Wasserstoffpipeline werde voraussichtlich bis 2032 fertiggestellt. Die Entwicklung einer Ammoniakpipeline zwischen Rotterdam und Deutschland sei allerdings nicht mehr Teil des DRC-Projekts, sondern werde als Einzelprojekt weitergeführt.

Shell baut im Hafen von Rotterdam das 250-MW-Projekt „Holland Hydrogen 1“. © Port of Rotterdam Authority

Die 2022 von Shell verkündete Anlage „Holland Hydrogen 1“ nimmt derweil konkrete Formen an. Der Elektrolyseur mit einer Leistung von 200 Megawatt wird ebenfalls auf der Maasvlakte im Rotterdamer Hafen errichtet und soll bis zu 60.000 Kilogramm erneuerbaren Wasserstoff pro Tag produzieren. Im Januar 2022 hatte die Thyssenkrupp Uhde Chlorine Engineers GmbH erklärt, man habe den Auftrag für die Fertigung der Anlage erhalten. Basis sei das skalierbare 20-Megawatt-Großmodul des Unternehmens. Im vergangenen Jahr unterzeichneten Shell und TenneT eine Vereinbarung für den Anschluss an das 380-kVHochspannungsnetz, an das die Anlage nun auch angeschlossen ist. Eine Wasserstoffpipeline, die auch Teil des nationalen Wasserstoffnetzes sein wird, verbindet den Elektrolyseur mit dem Hafen. Zudem soll der Energieträger die Shell-Raffinerien in Pernis im Energy and Chemical Park Rotterdam versorgen.

Der Bau des niederländischen Wasserstoffnetzes hat in Rotterdam begonnen. Es schafft Verbindungen nach Deutschland und Belgien. Mit der Installation ist HyNetwork beauftragt, eine Tochter des staatlichen Gasnetzbetreibers Nederlandse Gasunie NV. © Gasunie

Auch das niederländische nationale Wasserstoffnetz begann 2023 im Rotterdamer Hafen. HyNetwork baut das Netz phasenweise aus, wobei der erste Abschnitt 2026 in Betrieb gehen soll. Bis 2030 wird die Infrastruktur in Industrieclustern entlang der niederländischen Küste zur Verfügung stehen. Verbindungen nach Deutschland und Belgien werden derzeit eingerichtet. Zwischen 2031 und 2033 werden alle industriellen Zentren angeschlossen sein. Auch die West-Ost-Verbindung des nationalen Wasserstoffnetzes (die Wasserstoffpipeline aus dem Delta-Rhein-Korridor) wird dann fertiggestellt sein.

Rendering des ELYgator-Projekts von Air Liquide auf der Maasvlakte. © Port of Rotterdam Authority

Die französische Tochter des US-Herstellers von Industriegasen Air Liquide and Chemicals Inc. hat Anfang des Jahres angekündigt, dass es in seinem ersten Konversionspark auf der Maasvlakte einen 200-Megawatt-Elektrolyseur entwickeln, bauen und betreiben wird. Diese Wasserstoffanlage mit dem Namen „ELYgator“ soll Ende 2027 fertiggestellt sein. Air Liquide will den Strom aus den Windparks OranjeWind und Hollandse Kust Zuid (HKZ) vor der niederländischen Küste nutzen. Der Energiekonzern Total Energies S.A. hat mit Air Liquide im Februar einen Abnahmevertrag unterzeichnet. Von den 200 Megawatt sichert sich der Multi 130 Megawatt, einem Äquivalent von 15.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr, die für die Raffinerie in Antwerpen bestimmt sind (wir berichteten).

Weitere Projekte im Hafen befassen sich unter anderem mit nachhaltigem Flugkraftstoff, Ammoniak, CO2-Transport und -speicherung sowie Import und Transit von grünem Wasserstoff aus Brasilien:

  • Nachhaltiger Flugkraftstoff (eSAF): Ende 2024 kündigten Power2X und Advario gemeinsam die Entwicklung einer groß angelegten Produktions- und Lageranlage mit einer Kapazität von mehr als 250.000 Tonnen an. Damit werde genug umweltfreundlicher Treibstoff für jährlich etwa 7.000 Flüge zwischen Amsterdam und New York pro Jahr produziert.
  • Ammoniakbunker: Im April 2025 führten Trammo, OCI und James Fisher Fendercare ein Pilotprojekt zum Bunkern von Ammoniak zwischen zwei Schiffen im Rotterdamer Hafen durch. Dabei wurden 800 Kubikmeter flüssiges Ammoniak bei einer Temperatur von minus 33 Grad Celsius umgepumpt, um die Sicherheitsvorkehrungen im Hafen zu überprüfen. Die ersten Schiffe, die das künftig dort gebunkerte Ammoniak verwenden, werden für 2026 oder 2027 erwartet.
  • Porthos: Das groß angelegte CO2-Transport- und -Speicherprojekt mit einer Verdichterstation auf der Maasvlakte und einer 20 Kilometer vor der Küste in der Nordsee gelegenen Injektionsplattform sei im Bau, eine 30 Kilometer lange Landpipeline inzwischen zu 80 Prozent fertiggestellt. Auch hätten die Offshore-Arbeiten zum Bau der Infrastruktur begonnen. Von hier aus wird CO2 in ein erschöpftes Gasfeld gepumpt, ein versiegelter Raum aus porösem Sandstein mehr als drei Kilometer unter dem Nordseeboden.
  • Offshore-Windpark Zeevonk II: Das Projekt umfasst einen 2-Gigawatt-Offshore-Windpark sowie einen schwimmenden Offshore-Solarpark mit einer Leistung von 50 Megawatt. Ein Elektrolyseur mit einer Leistung von einem Gigawatt auf der Maasvlakte soll den im Windpark erzeugten Strom zur Produktion grünen Wasserstoffs nutzen. Das Gemeinschaftsunternehmen von Vattenfall und Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) werde voraussichtlich im Jahr 2029 in Betrieb genommen.
  • Wasserstoff aus Brasilien: Die Häfen von Pecém (Ceará, Brasilien), Rotterdam und Duisport (Deutschland) arbeiten zusammen, um den Transport von alternativen Kraftstoffen zu ermöglichen. „In Kürze“ solle der Weitertransport vom PoR aus per Binnenschiff und ab 2032 per Pipeline möglich sein.
  • Fertiglobe: Der Düngemittelhersteller Fertiglobe hatte im Sommer 2024 die Ausschreibung für die erste H2Global-Pilotauktion für grünes Ammoniak in Deutschland gewonnen (wir berichteten). Es wird über den Rotterdamer Hafen eingeführt und in standardisierten Mengen auf jährlichen Auktionen verkauft. Demnach werden zwischen 2027 und 2033 „mindestens 259.000 Tonnen“ grünes Ammoniak nach Deutschland exportiert, so seinerzeit das Bundeswirtschaftsministerium.
  • CO2next: Das Projekt zur Zwischenlagerung und zum Umschlag von flüssigem CO2 auf der Rotterdamer Maasvlakte tritt in die FEED-Phase (Front end and Engineering design) ein. Shell und Total Energies haben sich Gasunie und Vopak in dieser Partnerschaft angeschlossen. Das Terminal wird flüssiges CO2 über Schiffe aufnehmen und per Pipeline mit den erschöpften Gasfeldern in der Nordsee verbinden. Bei einer Anfangskapazität von 5,4 Millionen Tonnen pro Jahr könne diese auf 15 Millionen Tonnen anwachsen. Die Investitionsentscheidung wird im Jahr 2025 getroffen. Der kommerzielle Betrieb soll im Jahr 2028 starten.
  • Ammoniak-Cracker: VTTI B.V. plant die Entwicklung eines Ammoniak-Terminals und eines Ammoniak-Crackers sowohl in Rotterdam als auch in Antwerpen. Das Vorhaben hat von der Europäischen Kommission den Status eines Projekts von gemeinsamem Interesse erhalten und wird von der EU mit 11,6 Millionen Euro für Rotterdam gefördert. VTTI beginnt nun mit der Vermarktungsphase, um das Projekt weiter voranzutreiben.

Mit diesen kombinieren Projekten von Produktion und Verwendung steht der Hafen von Rotterdam in den Startlöchern, um mit der sukzessiven Fertigstellung aller Vorhaben eine bedeutende europäische Drehscheibe für Wasserstoff und seiner Derivate für Nordwesteuropa zu etablieren.

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Die Hafenbehörde von Rotterdam entwickelt seit einigen Jahren erfolgreich das neue Hafengebiet Maasvlakte. © Port of Rotterdam Authority / Danny Cornelissen