(Karlsruhe) – Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) befasst sich mit den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die deutsche und europäische Importstrategie für Wasserstoff. Forscher vom ISI untersuchten gemeinsam mit Kollegen die Kriterien zur Bewertung von Partnerländern beim Wasserstoffimport und die Entwicklung von Importkosten
Zudem gehen sie auf die Potenziale für eine Wasserstoffherstellung in der Europäischen Union ein sowie auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine durch die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff.
Partnerländer, Lieferketten und Diversifizierung
Die Wissenschaftler bündeln ihre Ergebnisse in acht ausführlichen Vorschlägen, genannt „Impulse“. Zusammengefasst:
- Lieferländer: Die Bewertung potenzieller Wasserstofflieferanten solle von klaren Kriterien geleitet sein und politische Risiken stärker gewichten. Neben technischer Verfügbarkeit des Energieträgers und dessen Preis sei auch die Zuverlässigkeit der Partnerländer zu bewerten.
- Neubewertung: Zu einer diversifizierten Wasserstoffversorgung könnte ein breites Netzwerk an Partnerländern in unterschiedlichen Weltregionen beitragen. In Frage kämen etwa die USA und Kanada, Chile, Brasilien, Argentinien oder Südafrika, Marokko, Ägypten und Namibia.
- Lieferketten: Verflüssigung und Verschiffung von Wasserstoff führten zwar zu etwa 25 Prozent höheren Gesamtkosten im Vergleich zum Pipelinetransport, und der Aufbau der Produktions- und Transportkapazitäten benötige Zeit. Dies trage aber zur Diversifizierung und zum Schutz vor zu viel Marktmacht einiger weniger Anbieter bei.
- Potenzial der Ukraine: Die Ukraine besitze langfristig viel Potenzial zur Herstellung von grünem Wasserstoff (1.400 Terawattstunden bis 2050). Das Land könnte zu einem verlässlichen Partner werden, vorausgesetzt, die Ukraine bleibe frei und unbesetzt.
- Europäische Union: Für 2030 rechne die Europäische Union mit einer Gesamtwasserstoffnachfrage in Höhe von 670 Terawattstunden sowie 2.250 Terawattstunden für 2050. Das erschließbare Potenzial zur Wasserstofferzeugung liege bei 5.000 bis 6.000 Terawattstunden. Insbesondere durch den Ertrag von Photovoltaikanlagen im Süden und Windparks im Norden könne die EU ihre Nachfrage nach grünem Wasserstoff weitgehend selbst decken. Versorgungssicherheit sei gegenüber möglichen geringeren Importkosten abzuwägen.
- Derivate: Syntheseprodukte könnten aus wirtschaftlichen Gründen sowie unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit kurz- und mittelfristig attraktiver werden. Die Transportkosten von Methanol oder Ammoniak fielen wegen ihrer hohen Transportdichte und dem geringeren Energieaufwand beim Transport niedriger aus als bei Wasserstoff. Syntheseprodukte könnten tendenziell schneller in die EU und nach Deutschland transportiert werden.
- Erdgas: Hohe Erdgaspreise und eine ungewisse Versorgungslage erhöhten die Unsicherheiten für den Aufbau eines großen Wasserstoffsystems in Deutschland und der EU. Aus Erdgas erzeugter grauer Wasserstoff spiele bislang zwar eine wichtige Rolle, könne aber aufgrund der unklaren Preisentwicklung und Versorgungssicherheit den Ausbau des Wasserstoffsystems erschweren.
- Harmonisierung: Um in Europa beim Wasserstoff eine ähnlich starke Vernetzung wie bei Strom oder Erdgas zu erreichen, sei eine gemeinsame europäische Strategie bei der Transport- und Speicherinfrastruktur erforderlich. Die Krise in der Ukraine sollte als Impuls für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Energie- und Wasserstoffaußenpolitik dienen.
An dem Impulspapier waren das Fraunhofer ISI, das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), das Fraunhofer-Institut für Solar Energiesysteme (ISE), die Ruhr-Universität Bochum, das Potsdamer Institute For Advanced Sustainability Studies (IASS), das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik sowie die Energy Systems Analysis Associates GmbH beteiligt.
Das im Rahmen des von der Bundesregierung geförderten HyPat-Programms entwickelte Thesenpapier „Krieg in der Ukraine: Auswirkungen auf die europäische und deutsche Importstrategie von Wasserstoff und Derivaten“ gibt es kostenfrei als PDF (18 Seiten) auf der ISI-Homepage (Link unten).
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Brandenburger Tor, Berlin. © Johannes Plenio, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de