Farbenlehre: Nur Grün ist Grün
Wasserstoff (H) gibt es vor allem in chemisch gebundener Form, beispielsweise im Wasser als H2O oder Ammoniak NH3. Wasserstoff als Gas (H2) und Energieträger wird mittels verschiedener Verfahren hergestellt. Je nach Art der Erzeugung gehen damit unterschiedlich hohe Emissionen einher. Die Farbgebung dient also dazu, die Herstellung von Wasserstoff darzustellen.
Grün – nur Klimaneutral durch regenerativen Strom
Wasserstoff ist nur dann „Grün“, wenn er in einem Elektrolyseur mittels regenerativem Strom hergestellt wird. Die Quellen können Wind- und Solarenergie sein, aber auch Bioenergie, Wasserkraft oder Geothermie. Dabei wird Wasser (H2O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zerlegt. Der Energieträger Wasserstoff wird somit durch Ökostrom ohne Einsatz von kohlenstoffhaltigen Stoffen produziert.
Bewertung: Da es in Deutschland derzeit kaum hinreichend Ökostrom gibt, wird „grüner“ Strom oder „grüner“ Wasserstoff vorerst größtenteils aus dem Ausland kommen müssen, um den prognostizierten hohen Bedarf zu decken. Es gibt eine Reihe von Studien darüber, welche Regionen der Welt für die Herstellung prädestiniert sind; unter anderem den „PtX-Atlas“ des Fraunhofer IEE (siehe Link auf unserer Homepage). Bei den Exportländern handelt es sich teils um Regionen, in denen sich durch den Klimawandel der Wassermangel verschärfen könnte. In jenen Ländern wären Meerwasserentsalzungsanlagen erforderlich, die über die bisher vorhandene Zahl solcher Anlagen hinausgeht.
Blau – Herstellung aus Erdgas gekoppelt mit CCS
Wird Erdgas (Methan, CH4) zerlegt, nennt man das Ergebnis „blauen“ Wasserstoff. Das dabei entweichende CO2 gelangt indes nicht in die Atmosphäre, sondern wird abgeschieden, aufgefangen und gelagert. Dies geschieht etwa in unterirdischen Kavernen, ausgebeuteten Gas- und Erdöllagerstätten oder im Meeresuntergrund.
Diesen Vorgang nennt man „Carbon Capture and Storage“ (CCS). Das CO2 wurde also nicht eliminiert, es ist nur aus dem Blickfeld und taucht in der Bilanz nicht mehr auf.
Das „Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid“ (Kohlendioxidspeichergesetz, KSpG) fordert, dass das eingelagerte CO2 dauerhaft und vollständig in den Speichern verbleibt. Die Höchstspeichermenge in Deutschland beträgt insgesamt vier Millionen Tonnen pro Jahr (§2 KSpG). Das KSpG stammt aus dem Jahre 2012 und wurde 2018 von der Bundesregierung evaluiert.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch die unterirdische Speicherung 65 bis 80 Prozent des „Abfallprodukts CO2“ dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können. Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) ist jedoch noch nicht geklärt, ob die potenziellen Anwender der Technologie dieses Versprechen halten können. Es gibt dazu eine Reihe von Forschungs- und Pilotprojekten. Problematisch sei demnach vor allem „der enorme zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“.
Bewertung: Im Normalbetrieb seien laut UBA „für die menschliche Gesundheit in aller Regel keine negativen Auswirkungen zu erwarten“. Gesundheitsrisiken könnten „sich aber infolge von Unfällen (etwa Entweichen des CO2) oder durch eine allmähliche Freisetzung aus dem Speicherkomplex ergeben“. Unter „ungünstigen Bedingungen“ könne salziges Grundwasser bis in oberflächennahe süße Grundwässer und an die Erdoberfläche gelangen, was zu Schäden (Versalzungen) im Grundwasser, in Böden und Oberflächengewässern führt. Der Einsatz der CCS-Technik zur Wasserstoffproduktion erhöhe den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent. Das macht Erdgas zur Wasserstoffproduktion zu keiner nachhaltigen Quelle.
Türkis – Herstellung durch Methanpyrolyse
„Türkis“ genannter Wasserstoff wird aus fossilem Methan (CH4) mittels Methanpyrolyse hergestellt. Das Methan wird unter Sauerstoffausschluss in die Bestandteile Wasserstoff (H2) und Kohlenstoff (C) zerlegt. Bei der Produktion entsteht kaum Kohlendioxid (CO2). Granularer fester Kohlenstoff ist ein Rohstoff, den unter anderem die Chemieindustrie in ihren Prozessketten verarbeitet.
Bewertung: Die Methanpyrolyse ist wenig erforscht. Einer Fraunhofer-Studie zufolge könne die Methanpyrolyse „kurzfristig eine wichtige Rolle spielen, wenn es gelingt, sie zur benötigten technologischen Reife zu führen und ihren wirtschaftlichen Betrieb nachzuweisen“. Entscheidend sei dabei, „für die Spaltung des Methans nur erneuerbare Energien einzusetzen sowie sicherzustellen, dass der Kohlenstoff, der bei der Pyrolyse entsteht, anschließend nicht in die Atmosphäre gelangt“.
Grau – Produktion mit hohem CO2-Ausstoß
„Grauer“ Wasserstoff wird seitens der Industrie aus fossilen Kohlenwasserstoffen wie Erdgas (Methan) mittels Dampfreformation produziert. Es handelt sich um ein endothermes Verfahren, es wird also Wärme zugeführt. Das Methan reagiert mit Sauerstoff im Wasserdampf. Das CO2 wird ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben.
„Grau“ ist Wasserstoff auch dann, wenn für die Elektrolyse Strom aus fossilen Brennstoffen eingesetzt wird. Auch „türkiser“ Wasserstoff ist streng genommen „Grau“, wenn er nicht mittels „grünen“ Stroms produziert wird.
Bewertung: Experten zufolge werden pro Tonne des so hergestellten Wasserstoffs etwa zehn Tonnen CO2 freigesetzt, das entweicht und den Treibhauseffekt verstärkt – nicht nachhaltig.
Orange – Bioenergie mit Kohlenstoff-Fußabdruck
Das Attribut „Orange“ wird für die Herstellung von Wasserstoff aus Bioenergie genutzt, mithin kohlenstoffneutrale Energie, gewonnen aus organischen Stoffen wie Biomasse, Biokraftstoff, Biogas und Biomethan, heißt es in einer Kurzstudie „Wasserstoff-Farbenlehre“ des Berliner Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V. (IKEM). Die organischen Materialien würden üblicherweise aus Abfällen und Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft, aus Haushalten und der Industrie gewonnen.
Bewertung: Nach der Nutzung wird der Kohlenstoff, der einst von den organischen Stoffen gespeichert wurde, wieder in die Umwelt abgegeben. Allerdings hat Wasserstoff aus diesen Quellen immer noch einen (geringen) Kohlenstoff-Fußabdruck, da das freigesetzte Treibhausgas vorher gebunden wurde. Daher erhält „der aus Bioenergie hergestellte Wasserstoff nicht die Farbe Grün“, so IKEM.
Rot, Rosa, Violett – Uran ist keine erneuerbare Quelle
Mittels Strom aus Kernkraftwerken erzeugter Wasserstoff wird als „Rot“, „Rosa“ oder „Violett“ klassifiziert. Die Stromproduktion erzeugt vor Ort zwar keine CO2-Emissionen, allerdings der Uranabbau nebst Transport und Aufbereitung. Auch sei der Kohlenstoff-Fußabdruck bei Stilllegung von Kernkraftwerken sowie die atomaren Abfälle mangels Lösungen für die langfristige Lagerung schwer abzuschätzen, so das IKEM. Im Gegensatz zu erneuerbaren Energien seien die Kosten für die Infrastruktur in den letzten Jahren nicht gesunken und könnten sogar „aufgrund extremerer Witterungsbedingungen in Zukunft steigen, da beispielsweise umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen integriert werden müssen“. Daher werde „roter“ Wasserstoff „nicht als nachhaltig angesehen“.
Bewertung: Das Erz ist keine erneuerbare Quelle. Ein Kernkraftwerk stößt zwar kein CO2 aus. Uranabbau, Transport und die ungewisse Zukunft der Brennstofflagerung machen Atomstrom zu einer nicht nachhaltigen Quelle für die Wasserstoffproduktion.
So bunt – weitere Farben
„Brauner“ Wasserstoff wird mittels Vergasung von Braunkohle hergestellt, bei „schwarzem“ Wasserstoff dient Steinkohle als Basis. „Gelber“ Wasserstoff entsteht bei einem Energiemix aus erneuerbaren und fossilen Energieträgern. „Weiß“ ist Wasserstoff dann, wenn er – selten – in natürlichen Vorkommen mittels Fracking gewonnen wird.
Andreas Lohse
Anm.d.Red.: Power-to-X nutzt die Farbgebung für Wasserstoff in den Beiträgen auf der Webseite üblicherweise als Attribut und ohne Anführungszeichen. Die Anführungszeichen in diesem Beitrag dienen der Hervorhebung.