(Essen / Deutschland) – Der Energiekonzern RWE AG hat die Sunfire GmbH aus Dresden und die Mannheimer Bilfinger SE damit beauftragt, in einer dritten Entwicklungsstufe die Elektrolyseleistung des „GET H2 Nukleus“-Projekts in Lingen auf 300 Megawatt auszubauen. Das Auftragsvolumen liegt nach RWE-Angaben im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Einen 10-Megawatt-Alkali-Elektrolyseur hatte Sunfire als Bestandteil einer zweiteiligen Pilotanlage am Gaskraftwerk der RWE AG bereits im vergangenen Jahr installiert. Für den zweiten Teil lieferte Linde einen Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur (PEM) mit einer Leistung von vier Megawatt. © RWE AG

Sunfire liefert dafür einen 100-Megawatt-Elektrolyseur, der den Angaben zufolge zehn Module der Druck-Alkali-Technologie mit einer Leistung von jeweils zehn Megawatt umfasst. Bilfinger ist für dessen Integration verantwortlich, übernimmt Planungsaufgaben sowie die Lieferung und Installation der prozesstechnischen Nebenanlagen, etwa zur Wasser- und Wasserstoffaufbereitung sowie Verdichtung und Leittechnik.

Zwei Elektrolyseure mit je 100 Megawatt (MW) Leistung hatte RWE bereits 2022 bei Linde Engineering und ITM Power bestellt. Nach Fertigstellung der gesamten Anlage – die volle Erzeugungskapazität soll 2027 erreicht sein – werde man bis zu zwei Tonnen grünen Wasserstoff pro Stunde erzeugen. Der Energieträger sei überwiegend für Industriekunden in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bestimmt.

Das plant das „GET H2“-Konsortium

„GET H2 Nukleus“ ist Teil des „GET H2“ genannten Projekts, das im Rahmen einer dritten Welle von Genehmigungen als „wichtiges Projekte von übergreifendem europäischem Interesse“ (IPCEI) von Bund und Land gefördert wird. Dabei will ein Konsortium aus RWE AG, BP plc, Evonik sowie die Netzbetreiber Nowega GmbH und Open Grid Europe GmbH (OGE) bis 2025 eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen und bis 2030 mit weiteren Industriepartnern erweitern.

Projektskizze von GET H2: Erste Stufe ist die Verbindung der Wasserstoffproduktion in Lingen bis Gelsenkirchen. © Nowega GmbH

Im ersten Schritt wird der grüne Wasserstoff vorrangig mittels umgerüsteter bestehender Gasleitungen von Nowega und OGE über ein 130 Kilometer langes Netz von Lingen bis ins Ruhrgebiet transportiert. Dort errichtet Evonik einen Teilneubau zwischen dem Chemiepark Marl und der Ruhr Oel Raffinerie von BP in Gelsenkirchen. Nowega und OGE bauen eine neue Wasserstofffernleitung zwischen Heek und Gronau-Epe (Nordrhein-Westfalen).

Wasserstoffspeicher in Gronau-Epe

Ab 2027 soll Wasserstoff aus Lingen in einen Kavernenspeicher eingespeist werden, den die RWE Gas Storage West GmbH (RGSW) in Gronau-Epe errichtet. Das Unternehmen ertüchtigt und betreibt dort im Rahmen des „GET H2 Speicher“ genannten Vorhabens zwei Kavernen mit einem ursprünglich kalkulierten Volumen von kumuliert 28 Millionen Kubikmetern.

RWE plant in Gronau-Epe die Einlagerung von Wasserstoff in bisher für Erdgas genutzte Kavernen. Vor wenigen Wochen erklärte das Unternehmen die Erweiterung der Pläne um zusätzliche unter- und obertägige Anlagen für die Speicherung von Wasserstoff am Standort Kottiger Hook. Der erste Wasserstoff soll 2026 eingespeist werden. © RWE

Allerdings plant RGSW bereits die Erweiterung auf etwa 70 Millionen Kubikmeter, wovon 38 Millionen Kubikmeter für Kunden nutzbar seien. Dazu ist geplant, die obertägige Bestandsanlage um zusätzliche Ein- und Ausspeicherstrecken für Wasserstoff sowie erforderliche Nebenanlagen zu erweitern, eine bislang unter Sole stehende Kaverne zur Wasserstoffspeicherung umzurüsten und zu befüllen und eine bislang für die Speicherung von Erdgas genutzte Kaverne ebenfalls für Wasserstoff auszubauen. „Der Standort Gronau-Epe bietet sich aufgrund seiner Nähe zur geplanten Wasserstofffernleitung zwischen Lingen und dem Ruhrgebiet in Verbindung mit den optimalen geologischen Gegebenheiten zur Gasspeicherung auch als Wasserstoffspeicher an“, heißt es in einer RWE-Mitteilung.

Anbindung der Stahlwerke

Durch den Neubau weiterer Leitungen erweitern Nowega, OGE und die Thyssengas GmbH bis 2027 / 2028 die Infrastruktur mit einer zusätzlichen Verbindung zur Direktreduktionsanlage des Stahlwerks von Thyssenkrupp Steel Europe. Eine Pipeline soll später überdies bis zum Stahlwerk der Salzgitter AG verlaufen. In Niedersachsen arbeitet der Stahlkonzern im Projekts „Salcos“ ebenfalls an der Dekarbonisierung der Stahlproduktion mittels Direktreduktion. Die Anbindung von Salzgitter an die Gasleitungen von Nowega soll bis 2030 erfolgen.

Darüber hinaus werden dann die Projekte GET H2 Nukleus und Salcos mit dem geplanten und „Green Octopus“ genannten Pipelinenetz in Brandenburg und Sachsen verknüpft.

IPCEI-Projekte von „Hy2Infra“

Als dritte Welle des „IPCEI Wasserstoff“ (Important Projects of Common European Interest) hat die EU-Kommission auch 23 Vorhaben der deutschen Industrie zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur genehmigt (wir berichteten). Mit einer Kofinanzierung von 30 Prozent durch die beteiligten Bundesländer liegt das Fördervolumen bei kumuliert 4,6 Milliarden Euro. Die Unternehmen investieren selbst zusätzlich 3,3 Milliarden Euro, womit das Gesamtinvestitionsvolumen bei etwa 7,9 Milliarden Euro liegt. Eine Auflistung aller geförderten Projekte gibt es als PDF. Wir berichten in lockerer Folge über die „Hy2Infra“-Vorhaben. Bisher erschienen:

Hamburg startet mit dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur
(IPCEI „Hamburg Green Hydrogen Hub“ und „Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz“)

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Visualisierung des Projekts „GET H2 Nukleus“ in Lingen: Der linke Teil des Funktionsgebäudes wird die Elektrolyseanlage von Sunfire sowie Nebenanlagen von Bilfinger beherbergen. © RWE AG